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Neue Wege für erfolgreiche Projekte

Neue innovative Methoden, die von Beginn an Vertrauen und Kooperation im Bauprozess fördern, können die Baubranche in der Schweiz revolutionieren. Eine davon ist die Initiative des Vereins Werkallianz Basel.

Die Digitalisierung im Bauwesen wird einiges verändern. Dabei geht es um viel mehr als nur das Ersetzen von Papier durch Tablets, Computer und Roboter. Auch die Art und Weise der Zusammenarbeit und des Dialogs neben und auf der Baustelle muss sich grundlegend ändern. Um in Zukunft nicht nur effizienter und qualitativ hochwertiger, sondern auch mitarbeiterfreundlicher bauen zu können, müssen neue Wege beschritten werden. 

Ein vielversprechendes Beispiel, das in diese Richtung weist, ist die Initiative des Vereins Werkallianz in Basel. Diese Initiative, an der auch das EIT.swiss-Mitglied ETAVIS AG aus Basel beteiligt ist, basiert auf dem innovativen Ansatz eines frühzeitigen Dialogs zwischen allen Beteiligten, um von Anfang an eine kooperative und integrative Bauplanung und -realisierung zu gewährleisten. Im Gespräch mit Andi Fiechter, Vorstandsmitglied der Werkallianz, Geschäftsleiter ETAVIS Nord und Präsident von EIT.basel, sowie Bernard Steiner, Präsident der Werkallianz und Inhaber der Bernstein Bâtir AG in Basel, wird deutlich, wo und wie die Baubranche gewinnen kann. 

Vor fast einem Jahrzehnt begann Bernard Steiner, die Baubranche aus einer neuen Perspektive zu betrachten – einer, die durch seine Erfahrungen im Investment Banking beeinflusst war. Er erkannte, dass die «Grundschwingung» eines Projekts, d. h. die vorherrschende Stimmung und Atmosphäre unter den Beteiligten, einen enormen Einfluss auf die Projektkosten, Termintreue und Qualität hat. Zudem sah er Parallelen zur IT: «Die Baubranche kann von der IT lernen, weil dort agile Methoden und das frühe Einbeziehen aller Interessengruppen längst etabliert sind. Diese Ansätze erleichtern den Umgang mit komplexen Sachverhalten und fördern eine effizientere und fehlerfreiere Projektrealisierung», weiss Steiner aus Erfahrung. Und ergänzt: «Ich habe begonnen mir aufzuschreiben, was ein gutes Bauprojekt ausmacht, das einen Flow bekommt. So wollte ich herauszufinden, wo das Zusammenspiel, die Kosten, Qualität, Tonalität usw. stimmen.» 

Die Erkenntnisse von Bernard Steiner mündeten in ein Forschungsprojekt mit der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) und Innosuisse, das darauf abzielt, Bauprojekte, insbesondere das Verhalten der Menschen und die psychologischen Aspekte in den Projektteams, von Beginn an wissenschaftlich zu begleiten. Geleitet wird das Projekt bei der FHNW von Prof. Dr. Hartmut Schulze. In der Studie soll aufgezeigt werden, in welchem Ausmass die sogenannten Soft-Skills, also die Zusammenarbeit der Firmen und Menschen, einen Einfluss auf die erfolgreiche Umsetzung von Projekten haben. 

Ein neuer Weg in der Baubranche 

Das Kernstück der neuen Herangehensweise der Werkallianz ist das Dialog-Verfahren, das frühe und kontinuierliche Gespräche zwischen allen Projektbeteiligten fördert. Dieses Verfahren sieht vor, dass nicht nur die Architekten und Bauherren, sondern auch Handwerker und Planer frühzeitig in die Planungs- und Bauphasen involviert werden. Dadurch können bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt wichtige praktische Erfahrungen ins Projekt einfliessen. Dies ermöglicht es allen Beteiligten nicht zuletzt, eine höhere Gewinnmarge zu erzielen. 

Ein besonderer Fokus liegt auf der Wertschätzung der Beiträge jedes Einzelnen, unabhängig von der Fachdisziplin. «Die Methode der frühen Einbindung von Handwerkern ist ein neuer Ansatz, der vieles, was bisher als Norm-Vorgehen galt, komplett neu definiert. Es entsteht eine neue Baukultur, von der schlussendlich alle profitieren. Am Anfang kann mit einem guten Entscheid noch viel Einfluss auf ein Projekt genommen werden, gegen Ende immer weniger. Diesen Vorteil nutzt das Dialog-Verfahren», sagt Andi Fiechter über die Idee der Werkallianz und über seine Motivation, sich in einer solchen Allianz als Unternehmer und Handwerker zu engagieren. «Die Dringlichkeit einer Veränderung ist entscheidend, und es ist wichtig, dass wir jetzt über die Verfahren und Prozesse sprechen. Insbesondere das aktuelle SIA-Modell ist nicht mehr zeitgemäss», so Andi Fiechter. Und Bernard Steiner ergänzt: «Auch die Architektur hat unter den alten Vorgehensweisen, bei denen die Gewerke nicht optimal zusammenarbeiten, gelitten. Die Komplexität im Bauwesen ist gestiegen, und damit auch die Herausforderung für alle Beteiligten.»

Abgrenzung zu existierenden Modellen

Das Kernstück des Dialog-Verfahrens ist der Dialog-Vertrag. Dieser Vertrag ist der Werkallianz wichtig, um sich von anderen Modellen wie IPD (Integrated Project Delivery, integrierte Projektabwicklung) abzugrenzen. «Wir versuchen mit dem Dialog-Vertrag, gute Tugenden aus den bisherigen Projekten zu übernehmen und neuen den entsprechenden Raum zu geben. Dabei steht die Wertschätzung gegenüber anderen Fachdisziplinen sowie Handwerkern oder Planern im Fokus. Wir bekommen sehr viele positive Rückmeldungen. 

Die Erkenntnisse von Andi Fiechter und Bernard Steiner basieren auch auf einem realen Bauprojekt, das aktuell nach dem Dialog-Verfahren umgesetzt wird. Zwei Jahre soll es dauern, ein Jahr lang wurde gemeinsam intensiv geplant, die besten Lösungen und die Kosten definiert, und das zweite Jahr ist für die Ausführung reserviert. Die ersten sechs Monate sind sehr positiv verlaufen, können die beiden Experten stolz berichten.

Ähnlichkeiten mit der IT sind vorhanden

Aufgrund seiner Erfahrung in der IT kann Bernard Steiner gewisse Analogien zur Baubranche ziehen: «Es ist etwa so, wie wenn wir einen konventionellen Prozessor mit einem Quanten-Prozessor vergleichen. Ein konventioneller Prozessor verarbeitet einen Prozess nach dem anderen, der Quantenprozessor kann gleichzeitig verschiedene Prozesse bearbeiten. Deshalb kommen diese schneller voran.» So laufe auch das Dialog-Verfahren, es gibt keine starren Phasen mit Ausschreibung, Submission, Auswertung usw. «Im Dialog-Verfahren machen wir keine klassische Submission. Wir sprechen mit den Unternehmen, welche die Reputation haben, ein Projekt erfolgreich realisieren können. Passen sie ins Team und nehmen den Dialog-Vertrag an, werden sie Teil des Projektteams», erklärt Bernard Steiner. «Der Dialog-Vertrag gibt auch kleineren Firmen die Möglichkeit, sich in einem solchen Projektteam zu engagieren, das ist sehr wichtig. Die Fehlerkultur wird deutlich besser. Es geht darum, den Leuten die Angst zu nehmen und sie gemeinsam für ein besseres Ziel zu motivieren», ergänzt Andi Fiechter. Ein solches Vorgehen könnte auch den Fachkräftemangel entschärfen, weil es für die Mitarbeitenden angenehmer ist, in einem wohlwollenden Team mitzuarbeiten.

Dialog und Integration von Anfang an

«Ein weiterer wesentlicher Aspekt des Dialog-Verfahrens ist die finanzielle Transparenz», sagt Andi Fiechter. «Diese Transparenz in der Kostenstruktur überrascht viele Beteiligte und ist ein zentraler Faktor für das Vertrauen innerhalb der Projektteams. Durch offene Budgetdiskussionen und die frühzeitige Einbindung aller Akteure werden nicht nur Kosten effektiv verwaltet, sondern auch finanzielle Risiken minimiert.» Andi Fiechter und Bernard Steiner sind sich einig, dass dies zu einer grösseren Zufriedenheit bei den beteiligten Mitarbeiter:innen führt und auch zu Kostenersparnissen, weil überraschende Ausgaben weitgehend vermieden werden können. «Dieser transparente Umgang mit finanziellen Aspekten verändert das traditionelle Kostenmanagement in Bauprojekten grundlegend und trägt aus unserer Sicht massgeblich zum Erfolg der Projekte bei», ergänzt Bernard Steiner. 

Fazit

Das Ziel der Werkallianz lässt sich einfach zusammenfassen: Zentrales Thema ist die «neue» Kommunikation. Alle Beteiligten sind von Anfang an mit einbezogen, sind dadurch motiviert, und der Bauprozess läuft glatter. Nicht nur die Projektabwicklung, sondern auch die Anforderung an die Führung, von der Bauherrschaft über die Architektur bis hin zu den Unternehmern, wird mit diesem Verfahren neu definiert. Es ist anspruchsvoll, aber umsetzbar, wie das Beispiel aus Basel zeigt.

Autor: René Senn, erschienen im Magazin 03 / 2024